Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte von Autofahrer in Bußgeldverfahren
Der Sachverhalt
Am 24. Mai 2017 erließ die Bußgeldstelle einen Bußgeldbescheid gegen den Beschwerdeführer wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 30 km/h. Im Bescheid setzte sie ein Bußgeld in Höhe von 160 Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat fest.
Gegen den Bußgeldbescheid legte der Beschwerdeführer am 29. Mai 2017 Einspruch ein.
Der Beschwerdeführer beantragte Einsicht insbesondere in die gesamte Verfahrensakte, die Lebensakte des Messgerätes, die Bedienungsanleitung des Herstellers, die Rohmessdaten der gegenständlichen Messung und in den Eichschein des verwendeten Messgerätes. Die Bußgeldstelle hat keine Einsicht in die Lebensakte und die Rohmessdaten gewährt, da diese nicht Bestandteil der Bußgeldakte waren.
Wie haben die Gerichte entschieden?
Nach Abschluss der Beweisaufnahme verurteilte das Amtsgericht Hersbruck den Beschwerdeführer wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts zu einer Geldbuße von 160 Euro. Ferner erteilte sie ein einmonatiges Fahrverbot.
Gegen das Urteil legte der Verteidiger des Beschwerdeführers fristgerecht Rechtsbeschwerde ein.
Mit Beschluss vom 19. Juni 2018 verwarf das Oberlandesgericht Bamberg die Rechtsbeschwerde.
Mit der Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer das Urteil des Amtsgerichts Hersbruck und den Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg an.
Das Bundesverfassungsgericht gewährt Einsicht in Rohmessdaten
Die Fachgerichte gehen im Fall eines standardisierten Messverfahrens von einer reduzierten Sachverhaltsaufklärungs- und Darlegungspflicht aus. Dies ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
Bei diesen Messverfahren sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geringere Anforderungen an die Beweisführung und die Urteilsfeststellungen der Fachgerichte zu stellen. Bestehen keine Bedenken gegen die Richtigkeit des Messergebnisses, genügt deshalb zum Nachweis eines Geschwindigkeitsverstoßes grundsätzlich die Mitteilung des eingesetzten Messverfahrens, der ermittelten Geschwindigkeit nach Abzug der Toleranz und des berücksichtigten Toleranzwertes.
Dem Betroffenen bleibt aber die Möglichkeit eröffnet, das Tatgericht auf Zweifel aufmerksam zu machen und einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen. Hierfür muss er konkrete Anhaltspunkte für technische Fehlfunktionen des Messgerätes vortragen. Die bloße Behauptung, die Messung sei fehlerhaft, begründet für das Gericht keine Pflicht zur Aufklärung.
Betroffene müssen jedoch auch bei standardisierten Messverfahren die Möglichkeit der Prüfung der gemessenen Daten haben.
Aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgt grundsätzlich auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren das Recht, Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden sind, aber nicht zur Akte genommen wurden. Hierzu gehört die eigenständige Überprüfung des Messvorgangs.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.11.2020 - 2 BvR 1616/18
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