Im Strafverfahren sollen Straftaten in einem rechtsstaatlichen Verfahren festgestellt und gerecht geahndet werden. Leitprinzipien des deutschen Verfahrensrechts sind daher in der Theorie Wahrheit und Gerechtigkeit.
Zur Erforschung der Wahrheit darf sich der Rechtsstaat dabei nicht aller Mittel um jeden Preis bedienen. Die Entscheidung muss in einem ordnungsgemäßen und fairen Verfahren zustande kommen. So sind Beschuldigte zu belehren und darauf aufmerksam zu machen, dass sie nicht zu einer Aussage verpflichtet sind und eine Verteidigung hinzuziehen dürfen.
Die Verfahrensabschnitte
Es werden drei Verfahrensabschnitte voneinander unterschieden:
Das Ermittlungsverfahren
Im Ermittlungsverfahren (auch „Vorverfahren“ genannt), führt die Staatsanwaltschaft das Verfahren.
Sobald sie vom Verdacht einer strafbaren und verfolgbaren Handlung erfährt, hat sie die Sachlage zu erforschen. Es steht ihr also nicht frei, ob sie einschreiten will oder nicht. Die Staatsanwaltschaft ist zur Strafverfolgung gesetzlich verpflichtet (sog. Legalitätsprinzip). Nur unter bestimmten Voraussetzungen darf sie davon absehen, den Fall weiter zu verfolgen oder eine Anklage zu erheben.
Es wird daher zunächst der Sachverhalt ermittelt und Indizien bzw. Beweise gesammelt. So werden beispielsweise Zeugen verhört, Gutachten eingeholt und auch Tatbeteiligte zum Geschehen vernommen. Wir raten jedem Beschuldigten in diesem Verfahrensabschnitt zunächst vom Schweigerecht Gebrauch zu machen und sich rechtlichen Beistand zu organisieren. Denn eine einmal getätigte Aussage kann im späteren Verfahren gegen einen verwendet werden und ist nur sehr schwer zu widerrufen. Der Staatsanwaltschaft als sog. „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ kommt bereits in diesem Verfahrensabschnitt leitende Funktion zu. Theoretisch soll sie sowohl Fakten für als auch gegen den Beschuldigten ermitteln. Die Praxis zeigt jedoch, dass dies grundsätzlich nicht der Fall ist. Wer in die Fänge der Strafjustiz und der Ermittlungsbehörden gerät, sollte sich nicht auf ein faires und objektiv geführtes Verfahren verlassen. Denn auch die Ermittler und Ermittlerinnen sind nur Menschen und können ihren eigenen subjektiven Eindrücken unterliegen. Ferner kann es im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens für die erfolgsorientierte Polizei sehr erstrebenswert sein, möglichst zeitnah einen Täter zu überführen und Ermittlungen zeitnah abzuschließen. Es wird hierbei grundsätzlich eher arbeitsentlastend gearbeitet. Entlastende Umstände hingegen werden dabei tendenziell nicht ermittelt oder einseitig zulasten des (mutmaßlichen) Täters gewertet. In der Praxis agiert die Polizei oftmals selbstständig und sehr vorurteilsbehaftet.
Die Entscheidung über besonders schwerwiegende Zwangsmaßnahmen, wie etwa die Entnahme einer Blutprobe oder Wohnungsdurchsuchungen, behält das Gesetz den unabhängigen Richterinnen und Richtern vor. Ausschließlich sie dürfen diese Eingriffe anordnen (Ausnahmen gibt es natürlich). Nur bei Gefahr im Verzug können solche Anordnungen auch von der Staatsanwaltschaft oder teilweise den Ermittlungsbeamten getroffen werden.
Nach Abschluss der Ermittlungen entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob das Verfahren eingestellt oder Anklage erhoben wird. Reichen die Beweise für eine Anklageerhebung nicht aus, wird das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, gem. §170 Abs. 2 StPO.
Nach Abschluss der Ermittlungen kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren ebenfalls einstellen, wenn
handelt.
Besteht ein begrenztes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, kann die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens von der Erfüllung von Auflagen (z. B. Zahlung einer Geldbuße) und von Weisungen (z. B. die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs oder die Mitwir- kung an einem Täter-Opfer-Ausgleich) abhängig machen.
Das Zwischenverfahren
Mit der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft beginnt das Zwischenverfahren: Die Herrschaft über das Verfahren wechselt auf das Gericht.
Das Gericht stellt den Angeschuldigten die Anklageschrift zu und befasst sich mit etwaigen Einwendungen und Anträgen. Es kann auch einzelne Beweiserhebungen vornehmen oder anordnen.
Gelangt das Gericht zu der Auffassung, dass der Angeschuldigte einer Straftat nicht hinreichend verdächtig ist, lehnt es die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Anderenfalls lässt es die Anklage ganz oder zum Teil zur Hauptverhandlung zu und bestimmt einen Termin.
Das Hauptverfahren
Die Hauptverhandlung ist der Schwerpunkt des Strafverfahrens.
Bei bestimmten Delikten (z.B. schweren Staatsschutzdelikten) ist das Oberlandesgericht (Strafsenat) erstinstanzlich zuständig.
Wer im Einzelfall konkret zuständig ist, richtet sich nach einem Geschäftsverteilungsplan, den das Gerichtspräsidium bereits vor Beginn eines jeden Jahres aufstellt. Damit ist gewährleistet, dass sich das Gericht ohne Ansehen der Person bestimmt, dass also nach dem Grundgesetz niemand seinem „gesetzlichen Richter“ entzogen wird.
Hauptverhandlung
Die Hauptverhandlung startet mit der Vernehmung über die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten.
Die Staatsanwaltschaft verliest sodann die Anklage. Nach entsprechender Belehrung kann sich der Angeklagte zu der Sache äußern. Wir werden dies je nach Einzelfall mit Ihnen besprechen. Grundsätzlich empfehlen wir aber, dass der Verteidiger eine Erklärung für den Angeklagten abgibt und der Angeklagte so wenig wie möglich spricht.
Beweisaufnahme
In der darauffolgenden Beweisaufnahme muss das Gericht selbst die Rechtslage aufklären. Denn das Urteil darf nur allein auf Grundlage der Hauptverhandlung gesprochen werden. Das Gericht kann hierzu z. B. Zeuginnen und Zeugen
sowie Sachverständige vernehmen oder Urkunden auswerten. Deshalb müssen Zeuginnen und Zeugen vor Gericht erneut aussagen.
Während der Beweisaufnahme können sich alle Beteiligten äußern. So hat beispielsweise der Angeklagte die Möglichkeit, eigene Fragen an die Zeuginnen und Zeugen zu stellen. Hier empfiehlt es sich aber davon nur nach Rücksprache mit dem Verteidiger Gebrauch zu machen.
Nach dem Schluss der Beweisaufnahme erhalten zunächst die Staatsanwaltschaft und dann der Angeklagte und die Verteidigung das Wort. Angeklagte haben in jedem Fall die Möglichkeit des letzten Wortes.
Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung (Grundsatz der freien Beweiswürdigung). Bleiben für das Gericht letzte Zweifel an der Schuld der angeklagten Person bestehen, so darf es sie nicht verurteilen („Im Zweifel für den Angeklagten“). Dieser Grundsatz ist jedoch in der Praxis nicht all zu hoch zu hängen. Die Praxis zeigt, dass die Gerichte eher dazu neigen zu verurteilen und sich von Zweifeln nicht beeindrucken lassen. Der Grund hierfür wird in der Arbeitsüberlastung liegen und dass grundsätzlich ein gewisser Schulterschluss zwischen Staatsanwaltschaft und Gerichten offensichtlich nicht ausgeschlossen werden kann.
Urteil
Die Hauptverhandlung schließt sodann mit der Verkündung des Urteils „Im Namen des Volkes“. Das Gericht verliest die Urteilsformel (also weswegen und zu welcher Strafe verurteilt wird) und teilt in groben Zügen die Urteilsgründe mit.
Mit Ausnahme von Verfahren gegen Jugendliche vollstreckt die Staatsanwaltschaft das Urteil. Urteile aus Verfahren gegen Jugendliche werden durch die Amtsgerichte vollstreckt.
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