Begehrt der Alleineigentümer, der während der Trennungszeit die Ehewohnung dem anderen Ehegatten überlassen hat, die Überlassung der Ehewohnung für die Zeit nach der Scheidung ist der Anspruch nur dann zu versagen ist, wenn sich der andere Ehegatte auf eine unzumutbare Härte berufen kann. Eine solche liegt nicht schon dann vor, wenn in Bezug auf die noch in der Ehewohnung mit der Mutter verbliebenen Kinder die abstrakte Befürchtung einer Destabilisierung der Kinder durch einen Umzug besteht.
Was war geschehen?
Die Beteiligten sind seit August 2021 rechtskräftig geschieden. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, die minderjährig sind. Die Familie lebte in der im Alleineigentum des Antragsgegners stehenden 3-Zimmer-Wohnung. Zur Finanzierung der Eigentumswohnung zahlt der Antragsgegner auf ein Darlehen monatlich 944 €. Zudem zahlt er ein monatliches Hausgeld von 354 €. Seit August 2019 lebten die Beteiligten zunächst innerhalb der Ehewohnung getrennt.
Auf Antrag der Antragstellerin wurde die Ehewohnung für die Zeit des Getrenntlebens durch Beschluss ihr zur alleinigen Nutzung zugewiesen. Diese Entscheidung wurde mit dem Schutz der Kinder vor einem im Wesentlichen durch den Beschwerdegegner verursachten Loyalitätskonflikt begründet.
Die Antragstellerin wurde dazu verpflichtet, an den Antragsgegner monatlich eine Nutzungsentschädigung von 774 € zu zahlen. Sie hat bisher keine Nutzungsentschädigung gezahlt. Der Antragsgegner hat - trotz gerichtlicher Anordnung - keinen Trennungs- oder Kindesunterhalt gezahlt.
Die Antragstellerin hat während des erstinstanzlichen Verfahrens keine Anstrengungen unternommen, für sich und die Kinder eine neue Wohnung zu finden. Sie lehnte es sogar ab, einen Antrag auf eine geförderte Wohnung zu stellen. Das Jugendamt hat keine konkrete Kindeswohlgefährdung durch einen Umzug festgestellt. Das Amt befürchtete aber bei einem kurzfristigen Umzug erhebliche Nachteile für die Entwicklung der Kinder.
Die Antragstellerin hatte beantragt, ihr die Wohnung zur alleinigen Nutzung zuzuweisen. Der Antragsgegner hat die Zuweisung an sich beantragt.
Wie hat das Familiengericht entschieden?
Das AG hat der Antragstellerin die Ehewohnung befristet bis zum 31.8.2022 zur alleinigen Nutzung zugewiesen. Hiergegen hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt.
Was sagt das OLG?
Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das OLG die Entscheidung des Familiengerichts aufgehoben und ihm die Wohnung zugewiesen.
Die Begründung
Wenn der Alleineigentümer, der während der Trennungszeit die Ehewohnung dem anderen Ehegatten überlassen hat, die Überlassung der Ehewohnung für die Zeit nach der Scheidung an sich verlangt, ist ihm der Anspruch nur dann zu versagen ist, wenn sich der andere Ehegatte auf eine unzumutbare Härte berufen kann.
Die Voraussetzungen für die Annahme einer unbilligen Härte i.S.v. § 1568 a Abs. 2 BGB lagen bereits im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung nicht vor. Nach Rechtskraft der Scheidung kam und kommt dem Eigentum des Antragsgegners an der Ehewohnung ein erhebliches Gewicht zu. Aus dem Vortrag der Antragstellerin ergab sich nicht, dass die Zuweisung der Ehewohnung an sie dringend erforderlich sein könnte, um eine unerträgliche Belastung abzuwenden oder die Nichtzuweisung der Ehewohnung zu ungewöhnlich schweren Beeinträchtigungen führen könnte. Die Antragstellerin konnte sich insbesondere nicht darauf berufen, dass es für sie und die Kinder unmöglich sei, eine Ersatzwohnung zu finden. Denn sie hat trotz Kenntnis, dass ihr die Wohnung nur bis zur Rechtskraft der Scheidung zugewiesen war und dem Antragsgegner das Alleineigentum an der Wohnung zusteht, keinerlei Anstrengungen unternommen, Ersatzwohnraum zu beschaffen.
Auch die Belange der minderjährigen Kinder die Annahme einer unbilligen Härte nicht rechtfertigen. Denn eine Kindeswohlgefährdung hatte das Jugendamt nicht festgestellt. Die geäußerte abstrakte Befürchtung einer Destabilisierung der Kinder durch einen Umzug mit der Folge des etwaigen Verlusts der sozialen Bindungen in den Bildungseinrichtungen, im Freundeskreis und bei Vereinen erscheint nicht als außergewöhnlich schwere Beeinträchtigung. Die Antragstellerin und die Kinder wohnen seit zwei Jahren in der im Alleineigentum des Antragsgegners stehenden Wohnung und hatten ausreichend Zeit, die Folgen der Trennung zu verarbeiten.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.7.2022 - 6 UF 87/22
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