Nach Ansicht des BGH muss der Anspruch auf nachehezeitliche Überlassung der Ehewohnung innerhalb eines Jahres nach Scheidung beantragt werden.
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin, von der er seit Dezember 2015 rechtskräftig geschieden ist, die Herausgabe einer in seinem Alleineigentum stehenden Wohnung.
Die Wohnung wurde von den Beteiligten während der Ehe gemeinsam bewohnt. Seit der im Jahre 2014 erfolgten Trennung wird sie allein von der Antragsgegnerin genutzt. Die Antragsgegnerin war ursprünglich Alleineigentümerin einer anderen, im selben Haus gelegenen Wohnung. Diese hatte sie im Jahre 2016 unentgeltlich auf einen Sohn übertragen. Sie zahlt an den Antragsteller weder Miete oder Nutzungsentschädigung noch trägt sie die verbrauchsabhängigen Kosten. Zahlungsaufforderungen des Antragstellers sind ebenso erfolglos geblieben wie ein geltend gemachter Herausgabeanspruch.
Wie haben die Instanzgerichte entschieden?
Das Amtsgericht hat dem Räumungs- und Herausgabeantrag mit einer Räumungsfrist entsprochen. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Wie urteilt der BGH?
Der Bundesgerichtshof hat die von der Antragsgegnerin eingelegte Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.
Zwar ist der aus dem Eigentum folgende Herausgabeanspruch eines Ehegatten auch nach Rechtskraft der Scheidung nicht durchsetzbar, solange das Ehewohnungsverfahren (§ 1568 a BGB) eröffnet ist. Ob es sich (noch) um eine Ehewohnung handelt, ist dabei nach der Situation im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung zu beurteilen. Es muss sich also bei den Räumen auch während des Getrenntlebens in rechtlicher Hinsicht um die Ehewohnung gehandelt haben.
Nach § 1568a Abs. 6 BGB, erlischt der Anspruch auf Begründung bzw. Eintritt in ein Mietverhältnis über die Ehewohnung ein Jahr nach Rechtskraft der Scheidung. Bisher war umstritten, ob die Jahresfrist auch für die Ansprüche eines Ehegatten gegen den anderen auf Überlassung der Wohnung nach § 1568a Abs. 1-2 BGB gilt.
Diese Rechtsfrage hat der BGH bejaht.
Ein Jahr nach Rechtskraft der Ehescheidung erlöschen die Ansprüche auf Eintritt in ein Mietverhältnis oder auf seine Begründung. Ebenso erlöschen auch diejenigen auf Überlassung der Ehewohnung, wenn sie nicht vorher rechtshängig gemacht worden sind.
Die gesetzliche Regelung sieht im Interesse der Rechtsklarheit als Rechtsfolge ausschließlich die Begründung oder Fortführung eines Mietverhältnisses vor. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sollte auch in den Fällen, in denen der zur Überlassung verpflichtete Ehegatte Alleineigentümer der Ehewohnung ist, der Abschluss eines Mietvertrags der Regelfall sein.
Ohne die Geltung der Jahresfrist auch für den Überlassungsanspruch wäre dem verpflichteten Eigentümer-Ehegatten aber die Möglichkeit genommen, die vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltene Absicherung dieses Überlassungsverhältnisses mittels Mietvertrags durchzusetzen.
Für dieses Auslegungsergebnis streiten zudem Gründe der Praktikabilität und Rechtssicherheit sowie Sinn und Zweck der Bestimmung. Denn nicht mietvertraglich geregelte Nutzungsverhältnisse sollen nach Möglichkeit zu vermieden werden. Belange des Kindeswohls stehen dem nicht entgegen, weil der Zeitraum von einem Jahr ab Rechtskraft der Scheidung jedenfalls ausreichend ist, um eine Wohnungsüberlassung zu beantragen.
Ergebnis:
Im vorliegenden Fall ist die Jahresfrist längst abgelaufen, ohne dass die Antragsgegnerin Ansprüche aus § 1568 a BGB gerichtlich geltend gemacht hat.
Sie ist daher nach § 985 BGB zur Herausgabe der Wohnung verpflichtet.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.03.2021 - XII ZB 243/20 -
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