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Beginn der Berufsunfähigkeit

Abhängig vom Vertragstext kann der Beginn einer Berufsunfähigkeit variieren. Dies hat nunmehr der Bundesgerichtshof (AZ: IV ZR 153/20) entschieden. Danach kann bei erkennbar dauerhafter Berufsunfähigkeit der Zeitpunkt für eine Leistungsverpflichtung vor dem Zeitpunkt der Leistungsverpflichtung bei 6-monatiger ununterbrochener Arbeitsfähigkeit liegen. Je nach Art des Leistungsfalls kann dies, bei vereinbarter Dynamik, zu einer Erhöhung der Versicherungsleistung führen.

Worum ging es?

Die Parteien waren durch einen Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag verbunden. Vereinbart war eine Leistung bei vollständiger Berufsunfähigkeit. Diese liegt bedingungsgemäß vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit 6 Monate ununterbrochen außerstande war (Var.1) oder voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen außerstande ist (Var.2), ihren zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben.

Der klägerische Versicherungsnehmer war nach einem Arbeitsunfall seit dem 29.07.2016 nicht mehr arbeitsfähig. Er beantragte am 11.10.2016 eine Erhöhung seines Versicherungsschutzes um 100 %. Die Beklagte bestätigte die Erhöhung mit Wirkung zum 01.11.2016. Im Dezember 2016 verlangte der Kläger Leistung. Die Beklagte Versicherung erkannte einen Leistungsanspruch ab Oktober 2016 nach Var.1 an. Der Kläger war jedoch der Auffassung, dass ein Leistungsanspruch „erst“ ab Dezember 2016 vorgelegen habe (nach Variante 2) und somit die Erhöhung der Versicherungsleistung ab November 2016 zu berücksichtigen seien.

Was hat der BGH entschieden?

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Revision des Klägers erfolgreich ist und die Sache zurückverwiesen. Aufgrund der sprachlichen Fassung der Versicherungsbedingungen ist, in Abhängigkeit der erfüllten Variante, von unterschiedlichen Zeitpunkten des Eintritts der Leistungsverpflichtung auszugehen. Dies führte im vorliegenden Fall dazu, dass die Versicherung bei Vorliegen der Voraussetzung die erhöhten, ab November 2016 vereinbarten Versicherungsleistungen zu erbringen hat.

Das sagt der BGH im Wortlaut:

Abzustellen ist nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs auf den vereinbarten Wortlaut:

" Es kommt auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klausel sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind. …Nach dem Wort „oder“ wird der VN die zweite Alternative für das Vorliegen vollständiger Berufsunfähigkeit erkennen („voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen außerstande ist“). Er wird bemerken, dass diese Alternative im Präsens formuliert ist und keine rückschauende Betrachtung zum Gegenstand hat, sondern die Prognose, ob die versicherte Person „voraussichtlich“ während eines Sechsmonatszeitraums außerstande sein wird, ihren Beruf auszuüben. Aus dem Umstand, dass die Klausel insoweit auf eine Prognose zu Beginn eines Sechsmonatszeitraums abstellt, wird der VN folgern, dass die hieran geknüpfte Berufsunfähigkeit schon zu Beginn dieses Zeitraums vorliegt."

...

Den Sinnzusammenhang der beiden Alternativen wird er dahingehend verstehen, dass eine erheblich beeinträchtigte Person, deren Außerstandesein zur Berufsausübung während der nächsten sechs Monate abzusehen ist, bereits berufsunfähig im Sinne der zweiten Alternative von Abschnitt 1.2.1 AVB ist, während bei einer Person, bei welcher eine solche Prognose (noch) nicht möglich ist, der Sechsmonatszeitraum abgewartet werden muss und erst dann (wenn sie sechs Monate zur Berufsausübung außerstande war) feststeht, dass für die Folgezeit Berufsunfähigkeit im Sinne der ersten Alternative der Klausel vorliegt. Anders als die Revisionserwiderung meint, wird ein VN den denkbaren Fall, dass eine versicherte Person genau sechs Monate zur Berufsausübung außerstande ist, ebenso wenig als Widerspruch zu seinem Verständnis von Abschnitt 1.2.1 AVB ansehen wie die Möglichkeit, dass sich eine nach der zweiten Alternative der Klausel gestellte Prognose nicht erfüllt. …“ (r+s 2021, 528 Rn. 13, beck-online)

Die Zurückweisung anders Berufungsgericht war erforderlich, da dort die notwendige Feststellung, ob eine Berufsunfähigkeit überhaupt vorliegt, bislang nicht getroffen wurde.

 Was bedeutet dies?

Es ist immer notwendig, die vereinbarten Bedingungen zu prüfen. Erst dann kann beurteilt werden, welche Leistungen von der Versicherungen und ab wann zu erbringen sind. Auch wenn die Bedingungen auf den ersten Blick vergleichbar erscheinen, ist eine detaillierte Prüfung immer notwendig.

Die hier verwendeten Bedingungen enthielten zu Variante 1 nicht den Zusatz, dass Berufsunfähigkeit als "von Anfang an" vereinbart gilt. Dies im Gegensatz zu vielen anderen Bedingungen. Aus diesem Grund war die Berufsunfähigkeit erst nach Ablauf der 6 Monate gegeben.  In diesem Fall profitiert daher der Versicherungsnehmer wahrscheinlich von dem späteren Rentenbeginn. Denn während dieses Zeitraums wurde eine Erhöhung der Rentenleistung bei Berufsunfähigkeit vereinbart. Denn aufgrund der zu erwartenden Leistungsdauer des höheren Bezuges wird die Gesamtleistung wahrscheinlich höher ausfallen.

 

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